Aufstehen, duschen, frühstücken, ganz ohne Besonderheiten, was bedeutet, dass ich um Viertel vor acht wieder am Zimmer bin. Da lasse ich mir alle Zeit der Welt, denn heute habe ich angesichts des angesagten, weniger attraktiven Wetters erst recht keine Eile. Ich will, Wetter hin oder her, zwei kleinere Wanderungen machen. Um Viertel nach acht sitze ich trotzdem im Auto und fahre nach Thale.
Der große Parkplatz der Gondelbahn auf den Hexentanzplatz hat zwar eine leicht verzwickte Anfahrt, ist aber freilich trotzdem gut und leicht zu erreichen. Meins ist das zweite Auto auf dem riesigen Parkplatz. Kein Wunder, denn es ist grad Viertel vor neun durch, als ich losgehe, zuerst das Bodetal hinauf, an der Talstation vorbei. Nach dieser ist auch die Schulklasse weg, die mich auf zweihundert Metern begleitet. Und nach wenigen hundert Metern sitzt direkt am Wegrand ein Salamander. Das ist eine echte Premiere, denn ich kann mich nicht erinnern, schon mal einen in freier Wildbahn gesehen zu haben. Er reagiert zwar auf mich, bewegt sich aber recht gemächlich, um sich in einem nassen Blätterhäufchen zu verstecken. Vielleicht kann er sich bei der Kälte gar nicht schneller bewegen, es hat ja höchstens fünf Grad. Ich habe mich ja auch farblich passend für Anorak in Gelb und Handschuhe in Schwarz entschieden. So habe ich auf jeden Fall genug Zeit, ihn in Ruhe mit dem Handy zu fotografieren. Ich weiß nicht, ob und wann ich die Kamera auspacke, denn es ist nebelfeucht, der Wald tropft und teils nieselt es.
Meine Überraschung ist groß, als keine hundert Meter weiter noch ein Salamander wartet, auch langsam genug für ein Foto. Damit ist der Tag schon ein Gewinn, trotz des Nebelwetters. Das Bodetal ist hier eng, tief und richtig märchenhaft, dank des Nebels etwas spooky. Alles ist nass. Die Jungfernbücke beim Gasthaus Königsruhe habe ich schnell erreicht, dort beginnt der Aufstieg zur La Vièreshöhe. Das geht gut 250 Höhenmeter hinauf, ist aber leicht, weil es kaum steil ist, mal von ein paar Treppen abgesehen. Er geht in vielen Spitzkehren gemächlich hoch, zieht sich damit ein wenig hin. Im unteren Teil des Aufstiegs sehe nacheinander noch fünf weitere Salamander, einmal sogar zwei zusammen auf einem Moosflecken. Jeder einzelne wird persönlich und fotografisch gewürdigt. Hier treffe ich heute sonst auch keine Menschenseele mit Ausnahme eines einsamen Trailrunners etwas weiter oben, der mir kurz entgegen kommt und schnell wieder unter mir verschwunden ist.
Der Aussichtpunkt auf der La Vièreshöhe ist im Nebel natürlich wenig aufregend, die Wegkreuzung oberhalb davon, wo ich den Weg zum Hexentanzplatz nehme, ist der höchste Punkt der Wanderung. Zudem verläuft der Weg jetzt am Zaun der Rückseite des Heimattierparks entlang, in dem jetzt schon erste Besucher sind. Vorn am Hexentanzplatz, einem Granitplateau, sind erwartungsgemäß bei dem Nebelwetter auch praktisch keine Leute an den Aussichtspunkten. Die touristische Infrastruktur direkt nebenan ist schon etwas besser besucht, schließlich erreicht man das hier mit der Gondelbahn und sogar mit dem Auto. Ich mache nur ein schnelles Foto von zwei Bronzestatuen, die zur Illustration des Namens da stehen und suche meinen weiteren Weg.
Ich möchte abweichend von der Beschreibung des Wanderführers auf den Jägerstieg abzweigen, in der Hoffnung auf mehr Ruhe, aber das wird zunächst verhindert, weil der parallele Fahrweg, über den ich an der Kreuzung müsste, auf beiden Seiten mit Bauzäunen abgetrennt ist. Glücklicherweise ist keine fünfzig Meter weiter ein Übergang eingerichtet, so dass ich doch noch auf den Jägerstieg komme. Da sind auch keine Menschen, aber ich höre etwas Straßenlärm, der Weg kommt der Straße auf den Hexentanzplatz doch hörbar nahe. Ich zweige bald ab auf den Pionierstieg, der sich auch wieder von der Straße entfernt. Außerdem ist der Pfad mit etwas Aufwand teils mitten durch Felsformationen in deren Schneisen durchgeführt, direkt zu Beginn durch eine Formation mit dem Namen Waldschratt. Das ist eine besonders schöne Route! Ich sehe sogar ein paar Kletterer, was bei dem Wetter echt Respekt verdient.
Ich nehme dann einen Verbindungsweg auf das unterste Stück des Sachsenwallwegs, der vom Wanderführer vorgeschlagen war. Unten muss ich noch etwas um den Berg herum, um zu einer Brücke über die Bode zu kommen, mit der ich wieder bei der Talstation der Gondelbahn herauskomme. Erst jetzt beim Rückweg nehme ich wahr, dass da auch ein Sessellift hinauf auf die Roßtrappe auf der anderen Talseite führt, der jetzt auch in Betrieb ist. Doch viel interessanter ist, das praktisch direkt davor auf dem asphaltierten Weg sich auch noch der achte Salamander tummelt. Da schon eine ganze Familie diesen ausgiebig bewundert und fotografiert, schenke ich ihm keine weitere Beachtung und er bleibt der einzige, den ich nicht fotografiert habe. Am asphaltierten Zubringerweg zurück zum Parkplatz komme ich noch an dem Imbissstand vorbei, den ich schon beim Start gesehen habe. Jetzt hat er auf und ich stehe davor, eine Bratwurst kaufen. Da es noch vor Mittag ist, gibt es auch gar keine Schlange, leider aber auch keinen hinter der Theke. Das ändert sich aber nach zwei Minuten Warten und ich bekomme meine Bratwurst im Brötchen, mit scharfem Senf. Es ist nur noch ein kleines Stück zurück zum Parkplatz, aber die Bratwurst ist schneller aufgegessen und der Müll wird im Eimer an der Parkplatzausfahrt entsorgt.
Es geht auf Viertel vor zwölf zu, als ich am Auto bin. Ich komme schnell los, die Rüstzeit ist logischerweise minimal, da ich ja nur zu meiner zweiten Wanderung heute fahre. Es ist auch nicht weit, aber erst auf halber Strecke fällt mir ein, die Sitzheizung einzuschalten. Meine Nieren tun weh, das Schwitzen beim diesem nasskalten Wetter tut ihnen nicht gut und gestern war die Idee, die Kunstlederjacke anzuziehen, keine gute. Die wärmt gar nicht, was bei der Temperatur nicht hilfreich ist: in der Höhle hat es konstant acht Grad und draußen war es nicht viel besser. Immerhin finde ich den Parkplatz in Blankenburg sofort, bin kurz verwirrt, da es der Hotelparkplatz vom Schlosshotel zu sein scheint, und dafür ist er zu riesig. Dann sehe ich aber, dass man ein Parkticket lösen kann und stelle das Auto ab. Nach dem Ticketkauf ist die Rüstzeit erneut minimal, denn ich war ja eben schon wandern. So komme ich um Punkt zwölf los. Das wird also meine Nachmittagswanderung an der Teufelsmauer entlang. Vorhin die Hexen und jetzt der Teufel, heute stehe ich Bann des Bösen.
Ich muss nur die Bundesstraße überqueren und schon geht eine Treppe auf den Wanderweg hoch. Ich nehme die "high road" hinauf auf den Großvaterfelsen, die wohl höchste Formation der Teufelsmauer. Auf dem Weg dorthin kommt man auch bei der Großmutter vorbei. Es ist eine rechte Kraxelei, wenn man den Aussichtspunkt auf dem Großvater mitnehmen will, und das meine ich auch bei meiner Alpinerfahrung so, selbst wenn das nur so fünfzehn Höhenmeter sind und es mit stabilen Handläufen und -griffen sehr gut abgesichert ist. Dann geht da beim Großvater auch der Kammweg auf der Teufelsmauer entlang los. Während der Wanderführer den südlichen Hangweg empfiehlt, nehme ich den Kammweg. Der ist in meiner Wanderkarte als mittelschwer ausgewiesen und dieses Prädikat verdient er auch. Er geht wirklich auf dem Grat entlang, ebenso gut mit Handläufen gesichert, aber stetig mit Stufen und über den Sandstein. Es ist ein wirklich traumhaft schöner Weg und womöglich habe ich mit dem Wetter hier sozusagen Glück, dass es gerade nicht besonders viele Menschen anzieht. Es ist immer noch feucht, auch wenn der Nebel über mir ist. Doch auf dem Weg fällt mir besonders die Vielfalt der Natur im Harz auf. Ist es hier Sandstein und deswegen auch Sandboden, in dem auf der Südseite Kiefernwald wächst, auf Nordseite Buchenwald, so war es vorhin hellerer Granit am Hexentanzplatz und noch ein anderer, dunklerer Granit am Aufstieg, mehr so einer wie am Brocken, aber immer Mischwald im Bodetal und oben. Am Brocken war es dagegen Fichten- und Lärchenwald.
Am Ende des eigentlichen Kammwegs auf dem hohen, felsigen Teil der Teufelsmauer suche ich den Abstieg auf den südlichen Hangweg. Dazu nehme ich einen nett aussehenden, ausgebauten Wanderpfad, von dem ich vermute, er könnte eine Abkürzung sein. Er geht vergleichsweise steil und weit hinunter. Unten schau ich auf die Handykarte und sehe, das war zu viel des Guten. Ich bin an einer Stelle, die auch am Rückweg liegt. Aber weil ich störrisch bin, nehme ich nicht den geplanten Rückweg zur Umkehr und gehe zwischen hier und der Wende andersherum. Ich steige einen weiteren Weg wieder auf, um auf den geplanten südlichen Weg zu kommen. Danach tun mir wieder die Nieren weh durch den kalten Schweiß nach dem erneuten Aufstieg. Etwas Wasser zu trinken hilft auch nur kurz. So zieht sich der Weg gefühlt ganz schön bis zur Wende beim Hamburger Wappen, einer Felsformation, die auch Drei Zinnen heißt. Das ist auch die Gemeinsamkeit für den anderen, inoffiziellen Namen, den die Hansestadt inzwischen mit einer Tafel anerkannt hat!
Nach einer angemessenen Würdigung, auch der eines höhlenartigen Durchgangs auf eine Art Balkon mit Aussicht, welche beim aktuellen Wetter leicht eingetrübt ist, suche ich den Rückweg. Ich muss oberhalb der Formation über den Rücken und aufpassen, den richtigen Weg zu erwischen. Hier sind so viele Pfade, dass man da schon genau schauen muss. Ich bin dank Handynavigation bald auf dem gewünschten Pfad und damit auf dem Rückweg. Wegen der auch weiterhin recht vielen Wege muss man auch weiter aufpassen, auf der richtigen Route zu bleiben, das bekomme ich aber gut hin. Kurz vor der Kreuzung, zu der ich vorhin versehentlich abgestiegen bin, treffe ich eine Gruppe von gut einem halben Dutzend alter Herrschaften wieder, die ich schon am Kammweg überholt habe. Sie weisen mich auf eine kleine, enge Wendeltreppe in der Befestigungsmauer hin, die auf der Talseite hinabführt. Das ist als "Fuchsbau" ausgewiesen und ein Wetterschutz. Da unten, in gut zwei Meter Tiefe führt ein enger, niedriger Tunnel ca. sieben Meter zu einem Schutzraum, der zum Tal hin offen ist und einen netten Blick in den Wald bietet. Ein witziger und recht einmaliger Bau. Kurz danach bin ich an der Kreuzung, zu der ich vorher versehentlich abgestiegen war. Da ist eine Schutzhütte, eigentlich nur ein Dachgiebel, in der ich trinke und ein bisschen Brotzeit mache. Das hilft den Nieren auch nur kurz und nach fünf Minuten gehe ich weiter. Auf einer Art Forstweg geht es um den Bergrücken herum und direkt danach zweigt ein Pfad leicht nach oben ab. Laut Karte wird der zum nördlichen Hangweg, den ich nehmen möchte, also hinauf! Heute lasse ich mir meinen Plan nicht mehr vermiesen. Von da an sind es noch etwa zwei Kilometer den Hang entlang, ein schöner, einfacher Weg durch den Buchenwald auf der Nordseite der Teufelsmauer. Nach insgesamt fast genau zweieinhalb Stunden um halb drei bin ich zurück am Parkplatz. Diesmal brauche ich auch ein Stückchen, bevor ich loskomme, denn ich will am Hotelparkplatz nicht mehr rumräumen.
Auf der Rückfahrt tut mir die Sitzheizung bald so richtig gut. Die Strecke ist aber auch schnell geschafft und da ich von der anderen Seite komme, muss ich heute wieder die etwas kompliziertere Anfahrt zum Hotelparkplatz nehmen. Das klappt inzwischen aber freilich auch fehlerlos. Ich bin kurz vor drei am Zimmer, wasche mir den kalten Schweiß ab, ziehe frische Klamotten an und gehe gleich los, bin aber sofort am ersten Ziel: Im Restaurant, das zum Hotel gehört und morgens den Frühstücksraum bietet, reserviere ich mir einen Tisch für halb acht. Das geht auch sofort, ich muss mir also keine Sorgen mehr um das Abendessen machen. Ich gehe weiter, die Breite Straße Richtung Rathaus. Zuerst komme ich bei Thalia vorbei, wo ich mir einen Reiseführer für den Harz kaufe, etwas spät, aber so kann ich noch vergleichen, wie ein Besuch mit Reiseführer in Goslar vielleicht besser abläuft wie ein Besuch ohne in Quedlinburg. Ich wundere mich, dass sie nicht direkt am Eingang lokale und regionale Reiseführer ausliegen haben, gehe hinter in den Bereich mit allen Zielen, finde nix, komme vor in den Bereich zu Wernigerode, wo ich die Reiseführer von Baedecker und Dumont finde. Letzteren kaufe ich auch. Beim Rausgehen merke ich, dass ich auf der linken Seite beim Reinkommen zu oberflächlich geschaut habe und da auch andere Reiseführer zum Harz liegen. Das ist mir egal, weil ich von vorneherein an den von Dumont gedacht hatte. Ich gehe weiter, tiefer ins Zentrum hinein, bis ich beim Rossmann ankomme. Ich muss freilich einmal den ganzen Laden durchsuchen, bis ich die Einwegrasierer finde und mir die Packung mit der kleinsten Menge von drei Stück aussuche. Sie haben hier Selbstbedienungskassen, was auch einwandfrei klappt, sowohl der Scan wie auch die Kartenzahlung. Am Rückweg zum Hotel kaufe ich mir noch eine Mütze, quasi eine runde Baseballcap ohne Schirm. Zuerst bin ich von dem Plastikstirnschild innen abgestoßen, bis ich herausfinde, das der nur zur Präsentation da drin ist. Da drehe ich nochmal um und hole sie mir. Anscheinend wird von mir eben eine Tradition wiederbelebt, dass ich mir auf Reisen Kopfbedeckungen kaufe, habe ich das doch schon letzten Herbst im Bayerischen Wald gemacht. Dann geht es endgültig zurück ins Hotel und bald nach vier fange ich an, das Travelblog zu schreiben. Es ist deutlich nach sechs, bis ich diesen ereignisreichen Tag ausführlich beschrieben habe und dann lege ich mich etwas hin. Als ich denke, ich muss jetzt mal auf die Uhr schauen, ist es fünf vor halb acht und ich muss schnell los, meine Reservierung ruft. Die Bezeichnung "Schnitzelhaus" für das Restaurant im Hotel trifft voll zu, denn mehr als die Hälfte der Karte sind Schnitzel. Wobei sich mir das erst einmal nicht erschließt, denn mein Papierplatzdeckchen ist die Getränkekarte. Erst beim Bestellen meines Biers lasse ich mich darauf hinweisen, dass die Speisekarte auf der anderen Seite ist. Den Verweis in der Ecke habe ich nicht gesehen. Das Konzept ist nur halb durchdacht, denn schließlich steht ja einige Zeit das Essen auf der Karte. Sie dann umdrehen ist umständlich. Aber ich bekomme mein Harzer Schnitzel, paniert, mit Würzfleisch drauf und großzügig überbacken mit Pommes dazu. Schon im Vorfeld kam ein kleiner gemischter Salat. Alles klappt gut und ist ziemlich lecker, aber klar erkennbar steckt da eine Art Systemgastronomie dahinter. Auch mein Edelkorn danach ist organisatorisch kein Thema, aber knackig, Korn halt. Und so bin ich nach dem Bezahlen nach insgesamt einer Stunde wieder am Weg auf das Zimmer und schreibe das Travelblog fertig.